Ma Joad, Kapitalist Fuld: Reiche Leute kommen und gehen

Ma Joad, Kapitalist Fuld: Reiche Leute kommen und gehen

Der Kapitalismus steht im Moment trotz vor allem im Ausland staatlicher Eingriffe und Beteiligungen an den verkommenen Bankinstituten oder in Zeiten der Krise schwankenden Wirtschaftsriesen noch nicht zur Debatte. Der Kapitalismus aber, er steht in der Kritik. Plötzlich so scheint es, ist das was den Neoliberalen jahrelang als Unheil galt, also der staatliche Eingrif in das Wirtschaftssystem erlaubt, gewünscht, ja sogar von einigen gefordert.

Und wieder ist es das gierige Streben einzelner, die fanatische Zügellosigkeit von Managern wie Richard Fuld (Lehmann Brothers, lesenswerte Spiegel Titelstory), die das System ins Wanken brachten und das Grundübel in der Logik des unkontrollierten, einzig profitorientierten Kapitalismus aufzeigten.

In den 1930er Jahren stand die Welt schon einmal am wirtschaftlichen Abgrund. In der Zeit dieser Weltwirtschaftskrise spielt der Filmklassiker „Früchte des Zorns“ (Grapes of Wrath). Ein Film, den man sich dieser Tage, Wochen, Monate noch einmal anschauen sollte. Er erzählt von den Auswirkungen des Kapitalismus und vom Lebensmut und Willen von Menschen die sich trotzdem nicht unterkriegen ließen.

Der Farmer Tom Joad (Henry Fonda) kommt aus dem Gefängnis und muss sehen, dass das Land seiner Familie von Großgrundbesitzern nach dem Zusammenbruch des Pachtsystems vereinahmt wird, viele Farmer fliehen, machen sich auf im „goldenen Kalifornien“ eine neuen Arbeit, eine neue Heimat zu finden. So auch die Joads in deren Mittelpunkt der sich vom Kneipenschläger zum Aktivisten entwicklenden Sohn Tom und die zähe, harte, aber allsorgende Mutter Ma Joad stehen. Von skrupellosen Geschäftemachern verführt und ausgebeutet müssen die Joads und andere Familien zu Hungerlöhnen arbeiten, ständig von Lager zu Lager ziehen. Im Streit zwischen abtrünigen „Gewerkschaftern“ und Lageraufsehern wird Tom (der seinen ersten Mord im Suff beging) erneut schuldig, er tötet einen Aufseher. So entscheidet er sich letzten Endes die Familie zu verlassen. Und die zieht weiter. Denn irgendwie geht es immer weiter, zumindest für die guten, die ehrlichen Leute. Ma Joad spricht am Ende die Worte:

Rich fellas come up an‘ they die
an‘ their kids ain’t no good, an‘ they die out.
But we keep a-comin‘. We’re the people
that live. They can’t wipe us out.
They can’t lick us. And we’ll go on forever,
Pa … cause …we’re the people.“

An der Vertreibung, an der Verstoßung von fleißigen Amerikanern im eigenen Land hatten sich die Kapitalisten damals schuldig gemacht. Und auch in dieser Krise sind es die kleinen Sparer oder die Arbeiter im Opel-Werk, die zu den ersten Opfern der Krise gehören, während Richard Fuld vor den Küsten Amerikas segeln gehen will und kann.

Filmkritiker Roger Ebert sieht „The Grapes of Wrath“ als Film mit einer sozialistischen Botschaft und er sagt, in der Realität, nach dem Film, da ging es alles noch einmal gut aus:

The movie finds a larger socialist lesson in this, when Tom tells Ma: „One guy with a million acres and a hundred thousand farmers starvin‘.“ Of course Tom didn’t know the end of the story, about how the Okies would go to work in war industries and their children would prosper more in California than they would have in Oklahoma, and their grandchildren would star in Beach Boys songs. It is easy to forget that for many, „The Grapes of Wrath“ had a happy, unwritten, fourth act

Ist das so? Die einfachen Leute, von denen Ma Joad spricht, die einfachen Leute, die dann doch noch ihr unbeschwertes kalifornischen Leben führen konnten, gibt es für die nicht jetzt den fünften Akt des Stückes. Den Akt, in dem sie ihre Häuser verlieren, weil die Banken mit faulen Krediten Geschäfte machten. Den Akt, in dem sie wieder ihren Job verlieren, weil die Banken auch die Realwirtschaft mit in die Krise ziehen?

Die „Früchte des Zorns“ sind also von ungebrochener Aktualität. Ob es Familien wie der der Joads diesmal auch so schlecht wie 1930 gehen wird, wissen wir noch nicht. Auch wissen wir noch nicht, welche Lehren die Internationale Politik aus der Krise ziehen wird. Reicht es den Kapitalismus noch ein bisschen mehr zu überwachen, damit sich die leerstehenden Hypothekenhäuser und Industriehallen wieder in ein sonniges Kalifornien verwandeln? Oder um es mit den Worten von Marx zu sagen:

„Je rascher die Arbeiterklasse die ihr feindliche Macht, den fremden, über sie gebietenden Reichtum vermehrt und vergrößert, unter desto günstigern Bedingungen wird ihr erlaubt, von neuem an der Vermehrung des bürgerlichen Reichtums, an der Vergrößerung der Macht des Kapitals zu arbeiten, zufrieden, sich selbst die goldnen Ketten zu schmieden, woran die Bourgeoisie sie hinter sich herschleift.“ (Lohnarbeit und Kapital, 1849, MEW 6, S. 416, wikiquote)

Bis zur nächsten Krise dann. „Die Früchte des Zorns“ kommt vorsorglich in die Wiedervorlage.

Früchte des Zorns, USA, 1940, IMDB, Trailer bei Youtube, auf DVD erhältlich