Die eigentlich noch nicht wirklich stattgefundene Debatte ums deutsche Fernsehen, die manche um die Qualität der Programme selbst, manche um die Frage nach mehr Kultur und Bildung im Fernsehen und die andere gar nicht führen, hat ihre erste abgesetzte Sendung zur Folge: das ZDF hat sich von Elke Heidenreich getrennt. Mit sofortiger Wirkung. Auch die beiden noch ausstehenden „Lesen!“-Episoden für 2008 werden nicht mehr produziert. Realsatire.

Nachdem Marcel Reich Ranicki wegen seiner Verärgerung um den Deutschen Fernsehpreis denselben abglehnt hat, hatte Heidenreich in der Folge zwei wütende, manche würden sagen unbeherrschte, Artikel in der FAZ geschrieben, in denen sie zunächst Ranickis Reaktion verteidigte, später das Angebot direkt rausgeworfen zu werden widerrufen und dem ZDF den Kampf angesagt hatte. Heidenreichs Hauptmotiv war wohl, ihre eigene Sendung auf einen besseren Sendeplatz zu verlegen, vielleicht aber auch nur Frustration. „Sie hungern uns aus“, schrieb sie und warf dem ZDF sowie indirekt Programmdirektor Thomas Bellut Unkenntnis, Unsensibilität, Oberflächkeit und bürokratisches Unvermögen vor. Dann kam noch der peinliche Auftritt Gottschalks und Ranickis dazwischen, als sie eine halbe Stunde über Fernsehen diskutierten wollten, aber nichts zu sagen hatten. Und Ranicki macht Werbung für T-Entertain, ein Pay-TV-Packet der Telekom. Elke Heidenreich nannte Gottschalk in der Bunte keinen guten Moderator mehr und „einen müden alten Mann“…

Ein „Schmierenstück in fünf Akten“ nennt Mark Stöhr von der Zeit das alles, versteht aber die Entscheidung des ZDF:

Die Darsteller machten daraus jedoch eine Inszenierung eigener hochschießender Eitelkeiten und verletzter Empfindlichkeiten. Die Intendanz schaute lange hilflos zu und zog jetzt die Notbremse. Man kann ihr keinen Vorwurf machen. Sie hatte keine andere Wahl, schon der eigenen Glaubwürdigkeit wegen.

Anders Stefan Niggemeier. Er wirft auf seinem Blog den ZDF-Entscheidern bräsige Arroganz und Ignoranz vor. Die Entscheidung Heidenreich rauszuwerfen zeige die Unfähigkeit Größe zu zeigen:

Es ist entlarvend, dass das ZDF den unfairen Kritiker Reich-Ranicki für seine ahnungslose Pauschalkritik mit einer Sendung belohnte, die Kritikerin Heidenreich für ihre begründete Pauschalkritik aber bestrafte, indem es ihr die Sendung wegnahm.

Mehr noch. Mit „Lesen!“ trifft es jetzt ausgerechnet eine Sendung, die von der Qualitätsdebatte gar nicht betroffen war. Die Entscheidung des ZDF sagt genauso viel über den Sender und sein Programm aus, wie Marco Schreyls peinlich-trotziger Seitenhieb beim TV-Preis auf die Kritiker des DSDS-Formats. Es ist die Unfähigkeit sich Kritik zu stellen, ernsthaft über besseres Fernsehen zu diskutieren, innovativ zu sein und statt dessen lieber am Gewohnten festzuhalten, den irgendwie funktionierts ja doch. Und gerade weil das Programm der Privaten so schlecht sei (was es nicht ist) ruhen sich ZDF und ARD auf dem Status des relativ gesehen nicht ganz so schlechten Fernsehens aus. Gebührenfinanzierte Schunkelstunden mit den aufgegelten Volksmusikanten, seifige Schnulzenserien, müde Gottschalks und Elstners und all dem Mist, der viel viel schlimmer ist als jedes DSDS-Casting.

Es geht ja leider nichtmal darum, dass das was Fernsehen heute ist, die Formate die so geliebt werden (Casting, Reality) mit dem Bildungs-, Kultur- und Unterhaltungsauftrag zu füllen oder endlich, endlich mal gute Filme nicht 0 Uhr zu versenden, sondern viertel nach neun. Es geht leider nur darum, ob man nicht vielleicht einen Kanal zur Hochkultur öffnen kann und zur Bildung. Aber nichtmal dazu sind sie alle in der Lage. Statt dessen keifen sie sich an, die alten Männer und Frauen, die gar nicht wissen, was Fernsehen ist und kann.